So ermitteln Sie den Pflegegrad

Schon vor sechs Jahren, mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz, wurden die drei Pflegstufen durch fünf Pflegegrade abgelöst. Die neue Berechnung auf der Grundlage des Elften Sozialgesetzbuchs (§ 14 SGB XI) soll mehr Gerechtigkeit schaffen, weil neben körperlichen Beeinträchtigungen auch psychische und soziale Faktoren berücksichtigt werden. Fast zehn Jahre Diskussion gingen der Neuregelung voraus. Die breit gefächerte Betrachtung des gesamten Umfelds des Antragstellers ist einerseits zu begrüßen, macht den Prozess aber sehr komplex.

Rechtzeitiger Antrag sichert Leistungen

Wer seine Selbstständigkeit im Alltag beeinträchtigt sieht, sollte einen Antrag auf Anerkennung eines Pflegegrads stellen. Seien Sie auch als Angehörige(r) wachsam und raten zum Antrag, wenn Sie häufig um Hilfe gebeten werden. Schon ab Pflegegrad 1 stehen dem Pflegebedürftigen Leistungen zu, auch wenn kein Pflegedienst kommen muss. Den Antrag stellen Sie formlos bei ihrem gesetzlichen oder privaten Krankenversicherer. Die Krankenkasse reicht ihn an die Pflegekasse weiter.

Das Pflegegutachten

Zuständig für die Ermittlung des Pflegegrads ist der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) oder für privat Versicherte die MEDICPROOF GmbH. Das Gespräch findet in der häuslichen Umgebung des Antragstellers statt und dauert in der Regel dreißig bis neunzig Minuten. Während der Pandemie ist auch ein Telefoninterview möglich. Ein Pflegegradrechner im Internet hilft, sich auf den Besuch vorzubereiten. In diesem Rechner werden praktisch dieselben Fragen gestellt, die auch der Beauftragte des MDK bzw. MEDICPROOF mit Ihnen besprechen wird. Grundlage ist die bereits zitierte Vorschrift im SGB XI.

  • Mobilität: Hier geht es nicht um Urlaub oder Spaziergänge, sondern um elementare Dinge wie Treppensteigen, Bewegen in der Wohnung oder auch nur das aufrechte Sitzen und die Möglichkeit eines eigenständigen Positionswechsels im Bett.
  • Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Ist der Pflegebedürftige räumlich und zeitlich orientiert, erkennt er nahestehende Menschen, kann er Sachverhalte verstehen und sich in ein Gespräch einbringen? Auch das Bewältigen von Alltagshandlungen in mehreren Schritten sowie das Begreifen von Gefahren gehört in diesen Themenkomplex.
  • Verhalten und Psyche: Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu Wahnvorstellungen, Aggression gegen andere oder sich selbst erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines hohen Pflegegrads.
  • Selbstversorgung: Dieser Punkt hat mit 40 % Anteil das höchste Gewicht im Gutachten. Bewertet werden insbesondere Körperpflege, An- und Auskleiden, die Zubereitung von Mahlzeiten und das Essen selbst. Auch eine mögliche Inkontinenz wird hier betrachtet.
  • Krankheiten und Therapie: Zur Bewältigung des Alltags gehört auch das selbstständige Wahrnehmen von Arztterminen und die zuverlässige Einnahme von Medikamenten. Ist das nicht möglich, sammelt der Betroffene Punkte auf dem Weg zu einem Pflegegrad.
  • Alltag und soziale Kontakte: Ein sehr subjektiver Punkt, zu dem etwa ein geplanter Tagesablauf, Begegnungen mit anderen Menschen und das Einhalten angemessener Schlafenzeiten zählt.

Ein Pflegetagebuch hilft

Auf die genannten Themengebiete müssen Sie sich gut vorbereiten. Halten Sie Dokumente bereit, zum Beispiel einen Arztbericht, einen Medikamentenplan oder, falls vorhanden, einen Schwerbehindertenausweis. Ein über längere Zeit geführtes Pflegtagebuch belegt, welche Leistungen von Angehörigen, Nachbarn oder Profis Sie in der Vergangenheit in Anspruch genommen haben. Lassen Sie sich vor dem Besuch des MDK kostenlos beraten. Regionale Beratungsstellen, sogenannte Pflegestützpunkte, gibt es knapp fünfhundert in Deutschland.

Bild: Bigstockphoto.com / Rido81

Artikel teilen: